Sport- und Freizeitbauten – Die Rutsche als Gesamterlebnis

Innerhalb der Schwimmbadplanung liegt ein besonder Augenmerk von pbr auf Rutschenanlagen. Dazu führten wir ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Peter Korthals.

Peter Korthals
Innerhalb der Schwimmbadplanung liegt ein besonder Augenmerk von pbr auf Rutschenanlagen. Dazu führten wir ein Gespräch mit Dipl.-Ing. Peter Korthals.

Dipl.-Ing. Peter Korthals ist bei der pbr Planungsbüro Rohling AG im Bereich der Planung, Kostenermittlung sowie Bauleitung und Objektüberwachung tätig und war bereits an der Planung und Realisierung diverser Rutschen beteiligt. Er berichtet über die Herausforderungen, Besonderheiten und den Gestaltungsfreiraum in der Rutschenplanung.

Wie wichtig ist die Rutsche heutzutage für ein Schwimmbad?

Die Installation einer oder gar mehrerer Rutschenanlagen ist in Familien- und Freizeitbädern nicht wegzudenken. Insbesondere für Kinder und Jugendliche stellt die Rutsche eines der wesentlichen Highlights des Schwimmbadbesuchs dar. Nicht selten bestimmt das Attraktionsangebot, und hier insbesondere die Rutschen das Einzugsgebiet des Bades, denn für den geplanten Schwimmbadbesuch mit möglichst grosser Verweildauer fällt die Entscheidung im «Familienrat» oft zugunsten des besseren Angebots. Dafür werden auch grössere Wegstrecken in Kauf genommen. Jugendliche stellen dabei schon lange nicht mehr die einzige Zielgruppe dar. Im Hinblick auf Schwierigkeitsgrad, Form und Ausprägung sowie Ausstattung bieten Hersteller mittlerweile ein so grosses Spektrum an, dass für jede Alters- und Erwartungsgruppe passende Attraktionen konzipiert werden.

Lässt sich jede Rutsche in jedes Schwimmbad integrieren?

So pauschal kann man diese Frage gar nicht beantworten. Jeder Schwimmbadbau hat seine Besonderheiten. Insbesondere Bestandsbauten sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bevor man eine Aussage treffen kann, müssen die bisherige und zukünftige Nutzung, funktionale Zusammenhänge, aber auch die Gebäudestruktur, die Konstruktion und die städtebauliche Situation analysiert und bewertet werden. Auf Basis dieser Analyse können dann Rutschenkonzepte entwickelt und der richtige, angemessene Weg zur Attraktivierung gefunden werden.

Wann beginnt die Rutschenplanung? Wird die Rutsche auf das Gebäude oder das Gebäude auf die Rutsche abgestimmt?

Idealerweise sollte man die Konzeptionierung der Attraktion bereits in einem sehr frühen Planungsstadium durchführen und in den Gesamtentwurf einfliessen lassen. Das Gebäude ist mit den Rutschen sehr eng verknüpft, beide bedingen sich gegenseitig. Bei Neubauten sind die Freiheiten naturgemäss grösser als in Bestandssituationen. Entscheidet sich ein Bauherr, diese Attraktion zu integrieren, so sollten Flächen und Konstruktionsreserven für spätere Veränderungen berücksichtigt werden, da Freizeitanlagen von Flexibilität und der Möglichkeit der Nachattraktivierung profitieren. Nur so können sie auf neue Trends reagieren. Eine derartige Veränderung kann die Umrüstung einer vorhandenen Rutsche sein oder ein zusätzliches Rutschenangebot. Insbesondere für die Start- und Landesituation und die zugehörigen Treppenaufgänge ist es sinnvoll, Flächenreserven bereits zum Projektstart mit der Erstausrüstung zu berücksichtigen. Wichtig für diese Ausgangssituation und die Erstausstattung eines Badprojektes ist es, dass ein Attraktionskonzept entwickelt wird, das für den Standort die grösste Akzeptanz verspricht. Hierzu wird beispielsweise das Umfeld innerhalb des Einzugsgebiets genau betrachtet, sodass eine Wiederholung des Angebots aus den darin liegenden Bädern vermieden wird. Eine Analyse der Zielgruppe ist für die Gesamtausrichtung des Bades ebenso wichtig, um die Auswahl der geeigneten Rutsche auf diese abzustimmen. Da Rutschen in der Regel als Sonderbauteile betrachtet werden, bedürfen sie spezieller Genehmigungsverfahren. Deshalb sollte nach Aufstellung des Konzepts frühzeitig Kontakt zu Behörden aufgenommen werden. Es empfiehlt sich, diese Prozeduren abzustimmen und bereits zu Beginn in die Gesamtterminplanung zu integrieren.

Welche technischen Aspekte gilt es zu berücksichtigen?

Da wir häufig die Gesamtplanung für Schwimmbäder erbringen, denken wir in der Rutschenplanung gewerkeübergreifend. So steht am Ende nicht nur der architektonische Entwurf, sondern auch die Umsetzbarkeit im Hinblick auf die Bautechnik und Energie im Vordergrund. Zunächst geht es allerdings um das Wohlbefinden der Badegäste. So sollte die Rutsche nicht nur Spass und Spannung bieten, sondern vor allem auch ein hohes Mass an Sicherheit. Gleichzeitig wünscht sich der Besucher einen einwandfreien hygienischen Standard, sodass nicht nur die Badewasseraufbereitung den hohen Anforderungen entsprechen muss, sondern auch die Rutsche und das zugehörige Umfeld aus Treppenaufgängen, Start- und Landebereichen möglichst effizient und nachhaltig zu reinigen sein sollte. Die richtige Wahl der Oberflächenmaterialien und die Detailausbildung helfen dabei ebenso wie die richtige und ausreichende Positionierung von Zapfstellen.

Welche Bedeutung kommt der Luftqualität zu?

Für den Badegast ist die Luftqualität wichtig. Insbesondere bei hohen Auslastungen am Wochenende ist das Rutschvergnügen mit Wartezeiten am Treppenaufstieg verbunden. Der hohe Feuchteeintrag in die Raumluft entsteht neben den Wasserverwirbelungen im Start- und Landebereich auch hier am Rutschenaufgang durch Schleppwasser und das Abtropfen der wartenden Gäste. Neben dem Feuchteabtransport durch die Lüftungsanlage stellt auch die Behaglichkeit einen wichtigen Faktor dar. Zugluft muss vermieden werden, und eine angemessene Wärmezufuhr muss der Verdunstungskälte entgegenwirken, um die Gäste nicht frieren zu lassen. In der Fassadengestaltung ist es empfehlenswert, auf grossflächige Verglasungen zu verzichten, um die Konvektion zu reduzieren. Für die Treppenläufe selbst sind Massivkonstruktionen in offener Stahlbauweise vorzuziehen, um den Wassertransport gezielt zu führen. Dies fördert die Behaglichkeit und verhindert nebenbei auch die Korrosion.

Noch ein Wort zum energetischen Aspekt.

Er ist sehr hoch anzusetzen. Aus Platz- und Kostengründen sind die meisten Grosswasserrutschenanlagen ausserhalb der Gebäudehülle angeordnet. Sie schlängeln sich also vom Startpunkt in der oberen Fassade bis zum Wiedereintritt am Landebecken im Freien. Dabei wirken sie wie überdimensionale Kühlrippen, die der winterlichen Kälte ausgesetzt sind, sodass Hülle und hinabfliessendes Wasser stark ausgekühlt werden. Leider ist nicht immer die Möglichkeit gegeben, die Rutschen in einem separaten Rutschenbereich im energetisch geschützten Gebäudeinneren zu positionieren, so wie bei dem Neubau des Schwimmbades im Passivhausstandard Bambados in Bamberg, für das pbr die Gesamtplanung erbrachte. Energetisch gesehen ist diese Situation die Ideallösung. Die zweitbeste Lösung kann durch wirksame Dämmschalen erzielt werden. Durch sie kann der Wärmeabtransport nach aussen deutlich reduziert werden. Im Detail muss aber auch die Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten an der äusseren Konstruktion berücksichtigt werden.

Welche Herausforderung stellt der nachträgliche Einbau einer Rutsche in ein bestehendes Schwimmbad dar, und welche Potenziale bietet er?

Die nachträgliche Integration einer Rutsche in ein bestehendes Schwimmbad bietet enorme Potenziale. So kann bei sinkenden Besucherzahlen in jedem Fall eine Nachattraktivierung stattfinden. Eine Herausforderung besteht in der Regel in der technischen und energetischen Integration. Oft sind die vorhandenen technischen Kapazitäten in den Lüftungsanlagen, der Heizung und der Badewasseraufbereitung auf die Zusatzanforderung einer neuen Rutsche nicht ausgelegt. Auch die Energieversorgung kann an ihre Grenzen geraten. Aus diesem Grund ist die zu ergänzende oder neue Anlagentechnik frühzeitig zu projektieren. Weiter stellt sich die Frage nach der Flächenreserve. Bietet das Schwimmbad ausreichend Platz, oder ist es notwendig, einen Anbau zu errichten? Wenn ja, lässt die städtebauliche Situation diesen zu? Im Inneren des Schwimmbades ist die konzeptionelle und funktionale Anordnung für die Akzeptanz und Attraktivierung entscheidend. Ziel ist es ja, insgesamt eine Aufwertung der bestehenden Schwimmbadanlage zu erreichen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Indoor- und Outdoorrutschen?

Outdooranlagen werden aufgrund ihrer jahreszeitlich eingeschränkten Nutzungsdauer in Deutschland mit einem anderen Stellenwert konzipiert als Indooranlagen. In Freibädern sind in der Regel offene Halbschalen- oder Breitrutschen im Einsatz. Der Sommerbetrieb unterliegt für den Badegast anderen Gesetzmässigkeiten als der Ganzjahresbetrieb in einem Freizeitbad. Highlights aus mit technischen Effekten versehenen Rutschen haben einen geringeren Stellenwert. Auch die Länge der Rutsche als Superlativ ist im klassischen Freibad eher untergeordnet. Vielmehr sind der Spass mit Wasser, das Rutschen selbst und die erfrischende Abkühlung für die Badegäste wichtig.

Wie hat sich die Rutschenlandschaft in den letzten Jahren verändert, und wirkt sich dies auf die Planung aus?

Es gibt Kinder, die rutschen auf dem Spielplatz immer wieder. Auch oder vielmehr obwohl die Rutsche ihnen keinen Überraschungseffekt mehr bietet. Grundsätzlich scheint der Spass des körperlichen Hinabgleitens ein wesentlicher Motor zu sein, sodass in vielen Fällen die technisch aufwendig und überdesignte Rutsche nicht immer den erhofften Mehrwert bietet. Dennoch lässt sich feststellen, dass auch weiterhin ein Trend in Richtung Multifunktionalität geht. Auch mehrfaches Rutschen soll nicht langweilig werden, sodass viele Rutschenanlagen mittlerweile mit Touchpanels, Licht- und Soundeffekten ausgestattet werden und zur Interaktion einladen. Ob Racing oder Rafting, Reifen oder Boot – den Nutzungsmöglichkeiten sollten bestenfalls keine Grenzen gesetzt sein. Der Rutschenbereich entwickelt sich immer mehr zum Gesamterlebnis, bei dem bereits das Anstehen in der Warteschlange durch Entertainmentelemente unterstützt wird. Technische Zusatzeinrichtungen wie Zeitmessung oder Fotoshootings als Erinnerung an den Badespass entwickeln sich laufend. Für die Planung bedeutet dies, dass die zu entwickelnden baulichen und technischen Einrichtungen eine möglichst hohe Flexibilität aufweisen und auf Erweiterbarkeit ausgerichtet werden sollten.

«Wichtig ist ein Attraktionskonzept, das für den Standort die grösste Akzeptanz verspricht.»
«Ein Trend geht weiterhin auch in Richtung Multifunktionalität.»

Zur pbr Planungsbüro Rohling AG

Das Planungsbüro zählt mit etwa 470 Mitarbeitenden an zehn Standorten zu den grössten Architektur- und Ingenieurbüros Deutschlands. Neben der alles verantwortenden Gesamtplanung erbringt das Büro einzelne Fachplanungen, abgestimmt auf die Bedürfnisse des Bauherrn. Die generalistischen Teams bestehen aus Spezialisten sämtlicher Planungsdisziplinen, die durch erlebte Zusammenarbeit in komplexen Projekten optimal aufeinander eingestellt sind. Von den verschiedenen Standorten aus bietet prb alle fachspezifischen Planungsleistungen, aber auch die alles verantwortende Gesamtplanung objektnah im gesamten Bundesgebiet an. Dabei gewährleistet das Büro durch die lange Geschichte und Grösse des Unternehmens den umfassenden und aktuellen Einsatz aller technischen Entwicklungen an den geplanten Objekten.

Schwimmbadplanung
Abenteuerrutschen sind ein besonderer Anziehungspunkt. Fotos: Bettina Meckel-Wolf, Stadtwerke Bamberg und Stadtwerke Osnabrück Pläne: prb
Schwimmbadplanung
Der Wohlfühlaspekt für die Schwimmgäste hat bei der Planung und Durchführung eine grosse Bedeutung.
Schnitt
Schnitt durch den Neubau des Passivhaus-Schwimmbads Bambados in Bamberg (D).
Erdgeschoss
Erdgeschoss des Bamberger Hallenbads
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