Landschaftsarchitektur  – Offenheit und Einfühlungsvermögen

Christoph Fahrni ist Gründer der Fahrni Landschaftsarchitekten GmbH. Das Büro entwickelt Landschaftsarchitektur in einem breiten Spektrum, in dem es um Freiräume geht.

Christoph Fahrni
Christoph Fahrni ist Landschaftsarchitekt FH BSLA. Für seinen Schaffensprozess sind Herkunft und Zukunft gleichbedeutend.
Christoph Fahrni ist Gründer der Fahrni Landschaftsarchitekten GmbH. Das Büro entwickelt Landschaftsarchitektur in einem breiten Spektrum, in dem es um Freiräume geht.
Christoph Fahrni sieht für den Landschaftsarchitekten Offenheit und Einfühlungsvermögen in andere Sichtweisen als eine Grundeigenschaft. «Architektur + Technik» sprach mit ihm über seine Passion und seine Leidenschaft, die der Entwicklung von Landschaften, Parks, Gärten und urbanen Freiräumen gehört.Landschaften beziehungsweise Freiräume sind Ihr Arbeitsgebiet, wenn ich es einmal so bezeichnen darf. Was ist die Grundlage, die Basis, was die Voraussetzung für Ihre Herangehensweise?
Qualität in der Freiraumgestaltung bedeutet Auseinandersetzung sowie sorgfältigen und präzisen Umgang mit dem Ort. Auf Bestehendes einzugehen, daran anzuknüpfen und Sachen zu verbinden, ist viel schwieriger als zu trennen und deshalb viel wertvoller. Diese Erkenntnis begleitet ein Projekt von Anfang an. Dann geht es darum, die Beobachtungen in Worten zu erklären. Beschreibungen helfen, die Aufgabe zu fassen. Schliesslich geht es um Menschen, von denen jeder eine andere Wahrnehmung haben kann. Dabei spielen natürlich eigene Erfahrungen eine wichtige Rolle. Die Menschen mit ihren Bedürfnissen müssen den Gebrauch und die Organisation der Freiräume prägen. Wir möchten den Menschen überraschen und ihm Wahlmöglichkeiten bieten. Dem neuen Ort Sinnlichkeit zu verleihen, ist wahrscheinlich einer der schwierigsten Parameter.Sie sprechen von der Sinnlichkeit des Orts. Was haben wir uns darunter vorzustellen?
Eine besondere Stimmung, die erreicht wird, wenn der Ort weiss, was er sein soll. Viel Orte haben keinen Genius mehr, sie wissen nicht mehr, was sie sein sollen. Alle menschlichen Handlungen brauchen notwendigerweise einen angemessenen Ort, um sich ereignen zu können. Jahreszeiten bewusst erlebbar zu machen, bereichert den Entwurf. Ökologie heisst hier, Tiere und Pflanzen einzubeziehen sowie Kreisläufe sichtbar zu machen. Die Mustererkennung ist ein grundlegender Baustein, um am Bestand anzuknüpfen und weiterzubauen. Während die Wiederholung vertrauter Muster uns Sicherheit gibt, erfordert jeder neue Schritt Mut.

Worum geht es dabei?
Es ist ein Balance-Akt mit Spannungsfeldern und Gleichgewicht, bei dem es um eine topologische Darstellung, um das Verhältnis der Teile zueinander und um die Kohärenz zwischen dem Teil und dem Ganzen geht. Die räumliche Begrenzung bildet schlussendlich jeden Freiraum. Entwerfen heisst jedoch auch erfinden. Dazu braucht es eine grosse Experimentierfreude. Die Ökonomie der Dinge ist dabei sowohl Antriebskraft als auch Grenze. Wenn Nachhaltigkeit bedeutet, dass etwas bewahrt werden soll zum Wohl der zukünftigen Generationen, so ist dies für den Schaffensprozess selbstverständlich. Die These ist, dass Verstehen der entscheidende Erkenntnisvorgang ist, in dem eine Idee entsteht. Das Herz ist beteiligt, das Verstehen geht weit über den Verstand hinaus. Nicht zuletzt sind Freude, Humor und Heiterkeit wichtige Komponenten der Arbeit.

Wie läuft nun der Prozess ab? Wie entwickelt sich aus der Idee und dem Verstehen das Projekt?
Bei der Projektentwicklung selbst werden je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Methoden und Vorgehensweisen parallel angewendet. Angefangen wird mit dem Studium der Unterlagen, der Geschichte, der Biografien der Besitzer und Auftraggeber. Geschichtliche Brüche werden gestalterisch thematisiert. Schöpft ein Entwurf allein aus dem Bestand und der Tradition, wiederholt er das, was sein Ort ihm vorgibt. Bei der Lageanalyse heisst es: recherchieren, strukturieren und interpretieren. Die gebaute Welt genau betrachten und versuchen aufzunehmen, was wertvoll erscheint, zu korrigieren, was stört, und neu zu schaffen, was fehlt. Der Schlüssel zu einer Aufgabe ist immer das Verstehen, ohne das nichts Neues entstehen kann. Wenn die richtigen Fragen gestellt werden, ergeben sich die Antworten fast von selber. Bei Begehungen muss der Ort richtig gelesen werden. Dies ist eine Spurensuche mit offenen Sinnen. Der Entwurf basiert auf der Arbeit allein und der Arbeit im Team sowie der Betrachtung auf Distanz. Zeichnen und skizzieren, Geschichten entwickeln, reduzieren, Gespräche führen, texten, Modelle bauen, visualisieren, fotografieren und auch filmen. Danach wird das Projekt im CAD umgesetzt.

Sie sind auch bei verschiedenen Wettbewerben Mitglied der Jury. Ist das nicht eine zusätzliche Belastung, die Ihre Kreativität einschränken kann?
Im Gegenteil. Berufungen als Jury-Mitglied bei Architektur- und Landschaftsarchitekturwettbewerben bringen neue Kontakte und Abwechslung in den Büroalltag. Es ist eine spannende Aufgabe, das beste Projekt aus einer Fülle von Vorschlägen herauszukristallisieren. Neben dem Städtebau sind vor allem die qualitativen Aussenräume für das Gelingen eines Projekts entscheidend. Da man als Landschaftsarchitekt meistens alle Projekte in kurzer Zeit studieren und vorstellen muss, sind schnelle Auffassungsgabe und Erfahrung unerlässlich. Das Erkennen von starken Lösungen ist auch eine wichtige Voraussetzung für die eigenen Wettbewerbsbeiträge.

Zusammen mit der Hochschule Luzern – Technik & Architektur arbeiten Sie an einem Forschungsprojekt. Um was geht es dabei?
Das Projekt, an dem wir arbeiten, heisst «Stadtklang». Es geht um die Aktivierung und Entwicklung von akustischen Potenzialen in urbanen Aussenräumen. Gute klangräumliche Eigenschaften tragen in Zeiten von Verdichtung stark zur Aufenthaltsqualität in Freiräumen bei, sind aber bisher wenig erforscht. Anhand von Fallbeispielen werden Grundlagen für die Entwicklung von neuen akustisch wirksamen Bauteilen sowie ein Instrumentarium zur Klangraumgestaltung für Planende und die öffentliche Hand erarbeitet. Mit der Hochschule Luzern verbindet mich ausserdem eine Lehrtätigkeit. Ich war dort im Modul Architektur und Kontext als Gastdozent tätig. Darauf folgten Input-Referate zum Thema Nachhaltigkeit und Landschaftsarchitektur. Es ist ein Privileg, den künftigen Architekten und Landschaftsarchitekten das erlernte und angeeignete Wissen und die Erfahrung über den Umgang mit der Nachhaltigkeit und der gestalterischen Qualität weitergeben zu dürfen.

Die Zusammenarbeit mit der Hochschule unterstreicht Ihre regionale Verankerung. Was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Dazu möcht ich die Erforschung der Luzerner Innenhöfe nennen. Was als Eigenprojekt begann, wurde zu einem Bestandteil der Raumentwicklung der Stadt Luzern, und danach ist nun zu hoffen, dass viele Innenhöfe von einer Neugestaltung oder Verbesserung profitieren können. Im Weiteren durften wir zusammen mit ICOMOS die Projektleitung der Liste historischer Gärten und Anlagen des Kanton Luzerns übernehmen. Durch den Schutz und Erhalt von historischen Gärten und Anlagen wird dieses wichtige Erbe der Vergangenheit gesichert.

Woran erkennt man gute Gestaltung?
Die Strategie ist das Sprungbrett für die Kreation. Gute Gestaltung erkennt man an der zwingenden Idee. Wer quer denkt, ist kreativer, wer kreativer ist, ist erfolgreicher. Landschaftsarchitektur muss neuartig sein. Die Welt besteht aus Mustern. Selbst hinter der unendlich grossen Rauheit und Komplexität der Natur stehen relativ einfache Muster. Intuition ist unbewusste Mustererkennung. Übermässiges Detailwissen kann die Mustererkennung behindern. Unreflektierter Bauchentscheid erweist sich als unbewusste Reflexion aufgrund gespeicherter Muster. Mustererkennung ist der fundamentale Baustein des Erkenntnisprozesses. Intelligenz ist, das Komplizierte auf das Einfache zu reduzieren. Reine Wahrnehmung ohne Kategorisierung ist bedeutungslos. Man muss sich tief durch die Komplexität hindurcharbeiten, um zur Einfachheit zu gelangen. Einfach ist wirkungsvoller als kompliziert. Einfachheit heisst, sich durch die Tiefen der Komplexität hindurchzuarbeiten. Streichen Sie alles Überflüssige. Radikal. Damit erzeugt man Bilder, die haften bleiben. Schlichtheit erzeugt visuelle Eleganz. Einfachheit ist auch Voraussetzung für überzeugende Kommunikation. Einfachheit reduziert die Komplexität auf wenige, aber entscheidende Variablen. Bevor man etwas vereinfacht, muss man es umfassend verstanden haben.

Wo sehen Sie in dieser Komplexität sich und Ihr Team? Worin sehen Sie Ihre Aufgabe?
Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Aussenraum im urbanen Gebiet wieder erlebbar zu machen. Den differenzierten sozialen und kulturellen Bedürfnissen antworten wir mit der Erschaffung von Orten der Begegnung. Wir wollen vor allem auf die zunehmende Anonymität eingehen, indem wir die Freiraumgestaltung ins Ortsbild einbinden. Die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und gestalterischer Qualität ist eine nicht mehr wegzudenkende Verpflichtung gegenüber der Umwelt und den kommenden Generationen.

«Alle menschlichen Handlungen brauchen einen angemessenen Ort, um sich ereignen zu können.»
«Verstehen ist der entscheidende Erkenntnisvorgang, in dem eine Idee entsteht.»
«Die Welt besteht aus Mustern. Selbst hinter der unendlich grossen Rauheit und Komplexität der Natur stehen relativ einfache Muster.»

Zur Person

Christoph Fahrni, geboren am 13. März 1960 in Luzern, ist im Hirschmattquartier aufgewachsen. Der Blockrand umfasste einen Innenhof ohne Bäume, nur mit Asphalt und Autos. Stunden verbrachte er auf dem Balkon und machte sich Gedanken über die primären Bedürfnisse der Menschen in der Stadt. Er interessierte sich aber auch für die Gestaltung von Gärten und lernte deshalb Gartenbau. Danach studierte er von 1981 bis 1984 Landschaftsarchitektur in Rapperswil und schloss das FH-Studium 1984 als Landschaftsarchitekt HTL bei Prof. Dieter Kienast ab. 1987 machte sich Christoph Fahrni selbstständig und gründete die Firma Fahrni Landschaftsarchitekten. Derzeit beschäftigt die Firma sechs Mitarbeitende und entwickelt Landschaftsarchitektur in einem breiten Spektrum, in dem es um Freiräume geht. In den 30 Jahren seiner Berufstätigkeit führten Studienreisen zu Orten, um Neues zu entdecken, aber auch immer wieder in vertraute Städte und Landschaften. Orte mit innerer Spannung, die selbstverständliche, gewachsene Strukturen oder grossartigen Städtebau aufweisen. Dabei findet eine spannende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen statt.

Barcelona
Luftaufnahme von Barcelona. Foto: Amos Chapple
Kansas
Bewässerungswirtschaft in Kansas. Foto: NASA
Eichenwald
Eichenwald Foto: Christoph Fahrni
Lavaux
Weinbauterrassen im Lavaux VD. Foto: Montreux-Vevey Tourisme
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